Wie agil arbeiten wir wirklich?

Fünf Erfolgsfaktoren zur Einführung des agilen Projektmanagements

Ralf Strehlau

 

Keine erfolgreiche Digitalisierung ohne agile Arbeitsweise! Wer im digitalen Zeitalter mit der Zeit gehen will, darf nicht in klassischen Denk- und Arbeitsweisen agieren, denn in diesem sich schnell verändernden Umfeld braucht es Flexibilität, Innovationen, Querdenken, kurzum Agilität. Hierüber sind sich die meisten Unternehmen bereits im Klaren, doch häufig bleibt Agilität nur ein Schlagwort, das „in“ ist und gut klingt.

Das Wort „Agilität“ oder „agiles Arbeiten“ häufig zu nennen oder in Präsentationen bzw. Projekt-Briefings zu platzieren bedeutet aber noch lange nicht, dass in der Realität agil gearbeitet oder gedacht wird.

Meist zeigt sich recht schnell, dass die Einführung und Umsetzung von agilem Arbeiten gar nicht so einfach ist, wie man es sich anfangs vielleicht vorgestellt hat. Gerade eher klassisch geprägte Unternehmen stehen vor einer immensen und oft unterschätzten Herausforderung. Wir haben fünf zentrale Erfolgsfaktoren definiert und charakterisiert, die für die erfolgreiche Einführung eines agilen Projektmanagements notwendig sind:

 

1. Das agile Team – Interdisziplinäres und selbstorganisiertes Arbeiten im Fokus

  • Idealerweise umfasst das Team sechs bis acht Mitglieder aus unterschiedlichen aber relevanten Unternehmenseinheiten wie bspw. Marketing, IT, Vertrieb o. ä.
  • Das Team sollte zudem aus Mitgliedern verschiedener Hierarchie-Ebenen, Altersstrukturen und fachlichen Hintergründen bestehen. Diese Mischung fördert letztendlich einen 360 Grad Blick
  • Negativ-Denker oder Problem-Seher sollten nicht Bestandteil des agilen Teams sein, da diese die benötigte positive und lösungsorientierte Denkweise ausbremsen
  • Im Team muss für eine offene Atmosphäre gesorgt werden, in der auch Fehler und kritische Themen diskutiert werden können. Diese Diskussionen sind für die Weiterentwicklung des Teams sowie der Aufgaben notwendig
  • Das agile Team zeichnet sich durch ein selbstorganisiertes Arbeiten aus, Aufgaben werden von demjenigen erledigt, der sie am besten erfüllen kann
  • Auch operative und administrative Entscheidungen wie Urlaub, Weiterbildung etc. werden innerhalb des Teams selbst festgelegt
  • Im Fokus der Teamarbeit sollte der Kundennutzen stehen und nicht die interne Rechenschaftspflicht
  • Die erfolgreiche Zusammenarbeit steht vor dem Erfolg des Einzelnen
  • Silodenken hat in einem agilen Team keinen Platz

 

2. Die agile Führungskraft – Vertrauen vor Kontrolle

  • Die Führungskräfte des Projektteams definieren die Strategie und die Vision, lassen dem Team aber innerhalb dieser Leitplanken Raum zum Denken und Handeln
  • Der Fokus der Bewertung liegt auf den Ergebnissen, nicht aber wie diese erreicht wurden
  • Hierfür ist einerseits die Übertragung von Verantwortung notwendig, zum anderen Vertrauen in das Team. Dies bedeutet, dass die Führungskraft sich nicht in jede Kleinigkeit einmischt oder versucht diese zu steuern
  • Die Führungskraft nimmt vielmehr die Rolle eines Beraters ein, der das Team unterstützt und regelmäßig Feedback gibt
  • Partnerschaftliche Zusammenarbeit und Coaching steht vor Kontrolle und Hierarchie
  • Die Führungskraft ist für die Schaffung von adäquaten Rahmenbedingungen verantwortlich, in der agiles Arbeiten optimal umgesetzt werden kann. Hierzu kann beispielsweise die Bereitstellung der notwendigen IT-Infrastruktur oder eines Projektbüros etc. zählen
  • Relevante, das Projekt betreffende Informationen sollten von der Führungskraft transparent und auf Augenhöhe kommuniziert werden
  • Förderung einer Fehlerkultur, die Mitarbeitern erlaubt Fehler zu machen, da diese als wichtige Schritte zur Weiterentwicklung angesehen werden

 

3. Die agile Arbeitsweise – Stück für Stück, statt von Anfang bis Ende durchgeplant

  • Charakteristisch für die agile Arbeitsweise sind in kurzen Abständen stattfindende Meetings, in denen die einzelnen Teilnehmer ihre bisherigen Ergebnisse / Tätigkeiten vorstellen und mit dem Team diskutieren. Dadurch kann schnell reagiert werden, sollte zum Beispiel klar werden, dass die vorgeschlagene Richtung die falsche ist
  • Agile Arbeitsweise bedeutet vor allem Interaktion und Brainstorming. Die Meetings sind keine Vortragsatmosphäre, sondern interaktive Diskussionen und Workshopcharakter
  • Um dieses zu fördern, sollten Meetings auch nicht in klassischen Sitzungsräumen stattfinden, sondern vielmehr in Räumen, die herumstehen / laufen erlauben
  • Arbeitsmittel sind nicht primär Beamer und Powerpoint-Folien, sondern Flipcharts oder Boards, an denen gebrainstormt wird und Ideen entstehen
  • Die Philosophie der agilen Arbeitsweise ist auch, dass sich das Team auch mal spontan zusammenfindet, wenn zwischen geplanten Meetings Themen / Ideen etc. aufkommen, für die es sofort eine Entscheidung oder einer Meinung bedarf
  • Für agile Meetings / Workshops gilt die Regel: Jede Idee ist erstmal gut; erstmal versuchen und ausprobieren ist besser als direkt begraben
  • Das Leben von Lessons Learned ist ebenfalls notwendig, um aus möglichen Fehlern / Fehlentscheidungen zu lernen und für künftige Aufgaben besser aufgestellt zu sein
  • Anforderungen werden zu Beginn des Projekts nicht festgelegt, sondern schrittweise und prozessbegleitend bestimmt sowie entsprechend der sich ergebenden Veränderungen optimiert. Diese Flexibilität erlaubt ein iteratives Vorgehen durch eine regelmäßige Neubewertung des Projektstandes

 

4. Die agile Zielsetzung – Vorgegebener Rahmen / Richtung statt bis ins letzte Detail festgelegtes Ziel

  • Am Anfang eines agilen Projektes stehen grobe Vorgaben, wie „Wir wollen digitale Services anbieten“. Mit den agilen Zielen wird also die Richtung vorgegeben aber nicht fix definiert, wie viele Services es bspw. geben soll, welche dies sein sollen etc.
  • Für Maßnahmen, die innerhalb dieses Ziel-Rahmens angegangen werden, sollten jedoch vom Team festgelegte Kriterien gelten, anhand derer evaluiert werden kann, ob die geplante Maßnahme als Erfolg oder Misserfolg zu bewerten ist. Beispielsweise könnte für eine digitale Aktivität festgelegt werden „Wenn die Maßnahme X nicht mehr als Y Klicks in diesem Zeitrahmen erhält, beurteilen wir dieses Ziel als nicht erreicht“
  • Grundsätzlich gilt, dass Ziele an die Rahmenbedingungen der Digitalisierung flexibel angepasst werden müssen. Zum Beispiel kann ich zu Jahresbeginn sagen, dass ich 1.000 Follower auf Facebook bis Jahresende erreichen will, wenn in der Zwischenzeit aber Facebook als Netzwerk aufgrund neuer Anbieter nicht mehr relevant ist, wird auch dieses Ziel nicht mehr relevant und muss angepasst werden

 

5. Keine Einführung von Agilität ohne Veränderungsbereitschaft und Commitment

  • Voraussetzung für den Aufbau einer agilen Arbeitsweise ist die Bereitschaft von Management, Führungskräften und Mitarbeitern sich zu verändern
  • Noch weiter gedacht: um Agilität erfolgreich einzuführen und umzusetzen muss der absolute Wille bestehen, dieses auch mit all seinen Konsequenzen zu tun
  • Das Management und die Führungsetage müssen hierfür den Wandel vorleben, promoten und „verteidigen“
  • Zentrale Aufgabe ist es, eine lernende Organisation zu kreieren, sodass Flexibilität gewährleistet wird und Veränderungen als selbstverständlich und als Chance angesehen werden
  • Veränderungen setzen Lernfähigkeit auf allen Seiten voraus (Führungskräfte, Mitarbeiter, Organisation)
  • Wenn eigenständige Digitalisierungs-Initiativen etabliert werden, müssen diese zunächst vom Kerngeschäft getrennt werden, welches anderen Regeln und Abläufen folgt
  • Durch fehlende Unterstützung und durch den Druck des Tagesgeschäftes hängen die Mitarbeiter häufig noch zu sehr im angestammten Arbeitsprozess fest
  • Agile Initiativen brauchen dieselbe Aufmerksamkeit des Managements wie das Bestandsgeschäft

 

Die Einführung und Umsetzung des agilen Projektmanagement ist sicherlich nicht einfach und eine Herausforderung. Nimmt man das Thema Agilität ernst und verhält sich nach den Richtlinien der Agilität, verspricht diese Arbeits- und Denkweise eine erfolgreiche Meisterung digitaler Initiativen.

 

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