Liquiditätsplanung
Ein vitales Thema gerade in und nach der Corona Krise
09.03.2021 | Artikel von Michael Gawenda, Matthias Reichert und Mischa Towfighi
Aufgrund der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende April registrieren die Amtsgerichte trotz einer umfassenden pandemischen Krise eine zurückgehende Zahl der Insolvenzen. Dieser Effekt ergibt sich aus den gesetzlichen Regeln des COVInsAG, die zu einem Aussetzen der Insolvenzantragspflicht führen. In Expertenkreisen wird davon ausgegangen, dass diese ausgesetzten Insolvenzen aber noch zeitverzögert eintreten werden und mit einem entsprechenden Nachholeffekt zu rechnen ist.
Daraus leitet sich die Frage ab, ob das eigene Unternehmen, direkt oder indirekt, von einer Insolvenz betroffen sein könnte.
COVInsAG und seine Folgen
Generell gilt: Ein Unternehmen, das seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, wird als zahlungsunfähig bezeichnet und hat nach § 15a InsO unverzüglich Insolvenz anzumelden. Im Zuge der Corona-Maßnahmen wurde diese Pflicht des Geschäftsführers bis zum 01.10.2020 ausgesetzt. Diese Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde mit dem COVInsAG verlängert, so dass im Monat Januar 2021 kein Insolvenzantrag aufgrund von Zahlungsunfähigkeit gestellt werden musste, wenn:
- die Zahlungsunfähigkeit pandemiebedingt eintrat,
- ein Antrag auf Novemberhilfen gestellt wurde,
- ein solcher Antrag nicht aussichtslos sowie
- der Unterstützungsbetrag ausreichend ist, um die derzeit bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Die relativ kurze Frist der Aussetzung allein für den Monat Januar 2021 beruhte auf der recht optimistischen Annahme, dass durch den Lockdown Ende 2020 zu Beginn des neuen Jahres wieder ein verhältnismäßig normales Leben ohne größere Beeinträchtigungen für die Wirtschaft geführt werden kann. Da dies nicht eingetreten ist, hat der Bundesrat die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach obigem Muster nun bis Ende April 2021 verlängert. Allerdings gilt dies nur für Firmen, die zwischen dem 1. November und dem 31. Dezember Antrag auf Corona-Hilfen gestellt haben und die Insolvenzreife mit Hilfe dieser Zahlungen abwenden können.
Bei diesen Rahmenbedingungen kommt der Liquiditätsplanung deshalb eine besondere Bedeutung zu und sollte von der Geschäftsleitung besonderer Aufmerksamkeit gewidmet werden. Der tägliche Blick auf den Kontoauszug reicht hierfür nicht aus.
Grundsätze der Liquiditätsplanung
Der Liquiditätsplan ist als Teil der Finanzplanung Bestandteil der Unternehmensplanung. Es handelt sich um eine Gegenüberstellung der erwarteten Einzahlungen und absehbaren Auszahlungen innerhalb einer festgelegten Planungsperiode. Der Planungshorizont erstreckt sich üblicherweise von einem Tag bis zu zwölf Monaten. Da sich in diesen, vergleichsweise kurzen, Betrachtungszeiträumen eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeiten der Planungsdaten vorliegt, ist bei der Erstellung besonders akkurat zu verfahren.
Ziel ist es vor allem mögliche Liquiditätsrisiken und -engpässe frühzeitig aufzudecken und durch geeignete Gegenmaßnahmen gegenzusteuern, denn die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens ist der entscheidende Insolvenzauslöser. Durch die Aufhebung der Insolvenzantragspflicht hat man vielleicht Zeit gewonnen, die man nutzen sollte!
Im Rahmen der Erarbeitung einer Liquiditätsplanung sind die allgemeinen Grundsätze für Unternehmensplanungen zu beachten. Gemäß dem Vollständigkeitsprinzip ist sicherzustellen, dass alle Ein- und Auszahlungen Berücksichtigung finden. Das Prinzip der Termingenauigkeit ist wichtiger Faktor für die Treffgenauigkeit der Planung. Zu diesem Zweck ist der Zeitpunkt des jeweiligen Zahlungsvorgangs akribisch zu ermitteln.
Dabei müssen nicht nur die eingeräumten Zahlungsziele beachtet werden, sondern auch die Usancen Ihrer Kunden. Bedenken Sie bitte auch, dass Ihre Debitoren ggfs. selbst in eine Krisensituation gekommen sein können und deshalb nicht wie vereinbart zahlen können. Gemäß dem Bruttoprinzip werden Ein- und Auszahlungen nicht gekürzt oder saldiert dargestellt. Natürlich ist auch der Zu- und Abfluss der Umsatzsteuer zu berücksichtigen. Ein weiterer Grundsatz folgt dem Postulat der Betragsgenauigkeit. Die jeweilige Zahlungshöhe ist möglichst genau abzuschätzen. Moratorien sind in der Planung zu berücksichtigen.
Idealerweise deckt sich die Liquiditätsplanung mit dem Ergebnis der (indirekten) Cash Flow-Planung. Aufgrund der häufig unterschiedlichen Planungsprämissen treten in der Praxis aber dennoch Abweichungen auf.
Die Fristigkeit der Liquiditätsplanung
Durch die Ableitung der Liquiditätsplanung aus künftigen Ein- und Auszahlungen aus unterschiedlichen, zeitlich vorgelagerten, Betriebsvorgängen ergibt sich auch die Fristigkeit der Planung. Sie können je nach Unternehmen und Branche sehr unterschiedlich sein. Natürlich ist auch die wirtschaftliche Situation des Unternehmens angemessen zu berücksichtigen.
Die kurzfristige Liquiditätsplanung greift vor allem auf Informationen aus der Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung zurück. Zusätzlich werden durch weitere Betriebsinformationen wie den Auftragseingang oder (Material-) Bestellungen als Frühindikator für spätere Ein- und Auszahlungen herangezogen.
Richtet man den Blick auf einen ferneren Horizont und nutzt die Informationen aus der Unternehmensplanung, spricht man von einer mittel- bis langfristigen Planung. Aufgrund der höheren Unsicherheitsgrade sind solche Liquiditätspläne weniger zuverlässig, bieten aber dem Management einen längeren Vorlauf, um geeignete Maßnahmen für eine zu erwartende Unterfinanzierung zu treffen.
Berichterstattung
Wie eingangs erwähnt, muss vor allem die Geschäftsleitung unbedingt ein wachsames Auge auf die Liquidität in ihrem Unternehmen haben. Im Ernstfall haftet sie persönlich für ein Fehlverhalten im Zuge einer Insolvenz des Unternehmens. Weitere Adressaten sind Gesellschafter und Kreditgeber, die ebenfalls ein vitales Interesse an der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens haben.
Zum Zwecke der Berichterstattung dienen die reinen Informationen über den Mittelbestand im Betrachtungszeitraum. Qualifizierter sind Kennzahlen, die den Zahlungsmittelbestand (oder dessen Derivate) im Verhältnis zu den Verbindlichkeiten zeigen. Typische Kennzahlen sind die Liquidität 1. Grades, 2. Grades und 3. Grades.
Vertiefend vermitteln das Working Capital oder die Working Capital-Ratio ebenso einen Eindruck über das Finanzierungspotential bzw. den Liquiditätsbedarf eines Unternehmens wie die verschiedenen Deckungsgrade. Der direkt oder indirekt ermittelte Cash Flow ist ebenfalls eine häufig genutzte Liquiditätskennziffer.
Umsetzung in der Unternehmensalltag
Die Liquiditätsplanung wird im betrieblichen Alltag leider oft als ungeliebtes Kind gering geschätzt. Die (täglich) wiederkehrende Aufgabe, erfordert Übersicht in alle Betriebsbereiche sowie ein sauberes Abarbeiten. Häufig wird ihr wenig Aufmerksamkeit geschenkt, da beim Blick auf den Kontoauszug „alles in Ordnung“ ist. Mit diesem Ansatz verliert die Geschäftsleitung aber ein wichtiges „Radar“ für aufkommende Krisen. Und spätestens in der Krise ist die verlässliche Liquiditätsplanung von vitalem Interesse.
Fazit
Auch wenn die Erstellung der Liquiditätsplanung nicht zu den beliebtesten Aufgaben im Unternehmen zählt, ist sie doch von zentraler Bedeutung für die Sicherung der Zahlungsfähigkeit und dient entscheidend der Vermeidung einer Insolvenz.
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