Positives Denken gibt es nicht im Sonderangebot
aber ist es immer eine gute Wahl?
19.07.2024 | Artikel von Dagmar Strehlau
Gefühlt ging in den letzten Wochen ein Aufatmen durch das Land. Die EM gab nach Monaten, Jahren von Negativnachrichten allen ein neues, positives Thema, egal ob Fußballfan oder eher nur vagem Interessierten. Deutschland präsentierte sich als guter Gastgeber, es gab spannende Spiele, herausragende Fangemeinden, die sich mit Musik, bunten Farben und guter Laune durch unsere Städte bewegten und es gab wenig Gewalt.
Woran lag es, dass dieses Sportereignis sich so positiv auf unsere Gemütslage auswirkte? Auch hier lief nicht alles glatt – das Wetter hat bei dem ein oder anderen Spiel für Probleme gesorgt, man war nicht mit jedem Spiel, jeder Schiedsrichterentscheidung zufrieden. Trotzdem gaben die Spiele ein gutes Gefühl, bzw. man schaffte es das Positive daraus zu ziehen und sich nicht in eine Abwärtsspirale zu versetzen.
Diesen Ansatz brauchen wir auch in der Wirtschaft:
Sich nicht von den Dingen, die nicht optimal laufen oder die auch nicht gelingen, in eine Negativspirale zu bewegen, sondern es zu schaffen mit dem Blick auf das Mögliche Dinge in Gang zu setzen und weiterzumachen.
Positives Denken oder die positive Psychologie meint nicht, alles in einem rosigen Licht zu sehen. Jedem Negativereignis ein positives Make-up aufzusetzen, ist wenig zielführend. Sind Dinge schiefgelaufen, nützt es wenig, sie entweder verbal „wegzuwischen“ oder sie als „nicht weiter gravierend“ zu titulieren.
Dies gilt vor allen Dingen, wenn man als Führungskraft oder Geschäftsführer ein Unternehmen durch schwierige Zeiten führen muss. Gerade in diesen Zeiten ist man noch stärker im Fokus als in Guten. Die Mitarbeiter erwarten hier eine Führungskraft, die das Schiff auch durch hohen Wellengang führt, aber es ist ihnen auch klar, dass dies nicht immer ohne Blessuren ablaufen kann.
Moderne Unternehmen wollen Mitarbeiter, die eigenverantwortlich und offen agieren und somit das Unternehmen vorantreiben. Dieser Ansatz der Verantwortung muss das Management entsprechend vorleben, und dies gerade in schwierigen Zeiten.
Das Ausstrahlen von Verantwortung überträgt Selbstvertrauen auf den Gegenüber. Aber dies ist manchmal leichter gesagt als getan. Als Geschäftsführer in unsicheren Zeiten Selbstsicherheit auszustrahlen ist nicht immer leicht. Gefühlt wird einem der „sichere Boden“ unten den Füssen weggezogen.
Märkte, auf die man sich jahrzehntelang verlassen konnte, brechen weg, Mitarbeiter in Schlüsselpositionen gehen in Ruhestand, ein Ersatz ist nicht in Sicht und viele Themen von Nachhaltigkeit, Digitalisierung und KI stehen auf einer mehr als vollen Agenda. Und dann auch noch den anderen Mut geben?
Hierauf kann es nur eine Antwort geben: ja. Das Management ist in seiner Vorbildfunktion gefragt. Man kann nichts von anderen erwarten, was man selbst nicht erfüllen kann oder will. Auch hier gilt es zu kommunizieren. Eine gute Kommunikation ist der Schlüssel in vielen Themenstellungen.
Regelmäßige Jour fixe mit dem Management, den Abteilungen, Teams, eine „Management by walking around“ oder via MS Teams (oder anderer Kanäle) bietet einen guten Ansatz. Es bietet immer eine gute Grundlage, Meinungen, Ideen einzuholen. Je höher man in der Hierarchie ist, umso weiter weg ist man teilweise von der Basis. Wollen oder müssen Sie Veränderungen im Unternehmen einführen, schaffen Sie es nur wenn alle mitmachen. Und darüber muss man … reden.
Muss man als Manager deshalb jeden Morgen mit strahlendem Lächeln das Unternehmen betreten – wäre schön, aber wenn, sollte es echt sein. Wichtig ist es zu informieren, zu kommunizieren, Selbstvertrauen zu zeigen und an andere abzugeben.
Das positive Denken kann man nicht im Supermarkt im Sonderangebot kaufen, es muss in einem realistischen Rahmen stecken. In schwierigen Situationen ist nicht jede Entscheidung, die richtige. Gerade wenn der Druck sehr hoch ist, wirkt sich die Persönlichkeit sehr stark auf das Verhalten und damit auf unsere Entscheidungen aus. Der Umgang mit Emotionen, wird durch vielerlei beeinflusst. Die Genetik spielt hier eine Rolle, aber auch das Erleben von Situationen und physiologische Prozesse wirken sich aus. Wenn Sie testen möchten, wie stark Ihre Werte für positive und negative Affektivität (Definition von Affektivität: Tendenz zum Vorherrschen neg. Stimmung (neg. Affektivität) oder pos. Stimmung (pos. Affektivität)) sind, können Sie dies gut mit dem PANAS Test (Watson, D.; Clark, L.A.; Tellegen, A. – entnommen aus Seligman, M., S. 66) erfassen.
Der Test besteht aus einer Reihe von Wörtern, die für Gefühle/Emotionen stehen. Geben Sie jedem Wort eine Einschätzung, in welchem „Ausmaß Sie sich in diesem Moment so fühlen“ (von 1-5):
- kaum oder gar nicht
- ein klein wenig
- mittelmäßig
- ziemlich deutlich
- extrem
Abb.1: Tabelle PANAS-Test
Zur Auswertung zählen Sie die 10 Werte für PA (Positiver Affekt) und dann entsprechend für NA (Ne-gativer Affekt) zusammen. Damit können Sie recht gut Ihre dominantere Wesensart erkennen.
Im Management kommt es nicht immer auf eine positive Stimmung an, aber ich brauche den Mut Verantwortung zu übernehmen, auch schwierige Entscheidungen zu treffen und zu diesen auch zu stehen.
Eine Szene ist mir immer noch im Gedächtnis, der wolkenbruchartige Regen, der das Dänemark – Deutschland Spiel im wahrsten Sinne des Wortes „unter Wasser setzte“ – und die dänischen Fans, die aus dieser Situation das Beste machten – und eine (wahrscheinlich eiskalte) Dusche genossen. Dies wird uns nicht immer gelingen, aber die Erinnerung an eine solche Szene lässt uns schmunzeln und gibt uns auch damit auch wieder etwas mehr an positivem Gedanken.
Quellen:
1 Beil, J. (2024): Mut zum Mut! Handelsblatt, 28. Juni 2024, Seite 44-48.
2 Kienbaum, F. (2024): Mehr Lust auf Arbeit. Handelsblatt Gastkommentar. Handelsblatt, 28. Juni 2024, Seite 21.
3 Lehr, A. (2015): Einflüsse auf das emotionale Erleben nach dem PANA-Modell – Arbeitsbelastung und Circadianrhythmik. Dissertation Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
4 Seligman, M. (2005): Der Glücksfaktor. Bergisch-Gladbach. Lübbe GmbH & Co. KG.
5 Wirtz, M. (Hrsg.) (2021): Dorsch. Lexikon der Psychologie. dorsch.hogrefe.com
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