Wird die vertriebliche "Rampensau" im digitalen Wandel weiterhin benötigt?
Ja - eine Anleitung für die perfekte Präsentation
Dr. Christian Kühl
Die E-Commerce-Anteile im B2B und B2C Vertrieb wachsen jährlich im zweistelligen Bereich. Wird dieser digitale Trend das klassische vertriebliche Vorgehen nach und nach ersetzen und damit automatisieren? Ein Blick auf die Marketingausgaben 2017 im B2B Bereich relativiert diese Befürchtungen und zeigt, dass auch weiterhin das vertriebliche Auftreten im Kundenkontakt gewünscht und gefordert sein wird.
39 % der Marketingausgaben im B2B Marketing zielen auf Kundentreffen wie Messen, Ausstellungen und Kundenevents. Bei diesen Treffen wird es auch weiterhin darauf ankommen, im direkten Gespräch das Kundeninteresse zu gewinnen und die Leistungen der Firma zu präsentieren.
Zusätzlich werden auch weiterhin direkte Kundenbesuche stattfinden, auch wenn die erste Informationsbeschaffung zu Produkten und Lösungen heute zunehmend online erfolgen. Kunden reduzieren jedoch ihre Zeit für Treffen von Angesicht zu Angesicht auf das Wesentliche und schauen auf die Effektivität ihrer Treffen. Sowohl das persönliche Treffen und Kennenlernen mit Präsentationen
im kleinen Kundenkreis als auch vor einem großen Publikum verlangen deshalb eine erhöhte Professionalität, um den Kunden schnell zu erreichen und wirkungsvoll zu überzeugen.
Wie können diese Momente effektiv für beide Seiten genutzt werden und welche Rolle spielt dabei der Präsentierende? Soll er nur gut zuhören und sich höflich verhalten oder soll er die Chance nutzen und die „Rampensau“ rauslassen?
Eine gute Präsentation verlangt eine intensive Vorbereitung und auch nach der Präsentation kann man nicht in den Sessel fallen und die Füße hochlegen. Die Aufgaben bzw. Fragestellungen eines Vortragenden bei Kunden, Messen oder anderen Veranstaltungen lassen sich in drei Phasen einteilen.
Phase 1 | Phase 2 | Phase 3 |
---|---|---|
Vor der Präsentation | Während der Präsentation | Nach der Präsentation |
|
|
|
Die Phase 1 wird sehr oft unterschätzt. Der zeitliche Aufwand liegt schnell beim Faktor 8 – 10 bezogen auf die reine Zeit für die Präsentation in Phase 2. Dauert die Präsentation eine Stunde, dann hat der Vortragende schnell mit einer Vorbereitungszeit in Phase 1 von 8 Stunden zu rechnen.
Oft müssen Standardfolien kundenorientiert angepasst werden und das Profiling der Kunden oder Zuschauer ist auch mit den modernen digitalen Hilfsmitteln und sozialen Netzwerken zeitaufwendig.
Der Vortragende befindet sich in Phase 2 in einem besonderen Rollenspiel ähnlich wie im Theater oder Film. Deshalb ist die Generalprobe und das wiederholte Üben von schwierigen Passagen in Form eines dry runs ein wichtiges Element in Phase 1 zur Vorbereitung einer erfolgreichen Präsentation.
Für den Zuschauer wird diese Professionalität bewusst und besonders unterbewusst wahrgenommen und mit der Leistungsfähigkeit des Angebots in Verbindung gebracht. Warum empfinden wir dieses so besonders und warum geben wir dabei dem Vortragenden ein so besonderes „Augenmerk“?
Der menschliche Körper lässt sich physiologisch als ein Biocomputer mit bestimmten Leistungsmerkmalen beschreiben. Die Aufnahmeleistung dieses Computers kann etwas 11 Mio.
Bits/Sekunde aufnehmen, wie Daniel Kahneman in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ beschreibt. Von diesen 11 Mio. Bits/Sekunde verarbeiten wir etwa nur 42 Bits/Sekunde bewusst und der Großteil wird im Unterbewusstsein verarbeitet. Die Aufnahme dieser 11 Mio. Bits/ Sekunde findet durch alle Sinnesorgane des Menschen statt. Während die Ohren und der Tastsinn jeweils etwa 100.000 Bits/Sekunde verarbeiten können, ist das Auge mit 10 Mio. Bits/Sekunde der wichtigste Informationskanal für das Gehirn und den menschlichen Körper. Dieser Umstand erklärt viele der evolutionstechnischen Entwicklungen des Menschen und wird heute ausgiebig in Werbung, Marketing und Fernsehen als wichtigster Kanal genutzt. Bilder sagen mehr als Worte.
Worauf achten Zuschauer und Kunden während einer Präsentation? Woran misst sich die Effektivitätswirkung eines Vortragenden beim Zuschauer, ob das Vorgetragene und der Vortragende ihm gefallen? Es ist das Auge, das die höchste Wirkung beim Zuschauer bewirkt, gefolgt von dem Ohr und dann den Aussagen. Die Sprache eines Vortragenden wirkt 5,4 Mal so stark wie die benutzten Wörter. Die Mimik und Körpersprache wirken um 1,5 Mal stärker als die Stimme und um Faktor 8 stärker als die Worte. Dieses bedeutet, dass dem Vortragenden eine bedeutende Rolle zukommt.
Der Foliensatz und die Kernaussagen sind wichtig, aber das „wie“ es präsentiert wird und durch „wen“, hat die verstärkende Wirkung auf den Zuhörer, die von vielen unterschätzt wird.
Gute Inhalte werden oft durch einen schlechten Präsentatoren wirkungslos. Viele Vortragende bemühen sich, jedoch oft erkennt oder spürt der Zuhörer Hemmnisse und Unsicherheiten, welche sich dann unbewusst auch auf die Einschätzung der Leistungsfähigkeit der vorgestellten Produkte und Dienstleistungen übertragen kann.
In vielen Vorträgen und Schulungen kann ich dieses Phänomen immer wieder beobachten und oft ließen sich mit kleinen Hilfestellungen und Übungen schon erstaunliche Wirkungen erzielen.
Die Verbesserungspotenziale der Tätigkeiten in Phase 1 und 3 sind relativ leicht vermittelbar und verlangen dann nur eine gewisse Disziplin aller Beteiligten.
Das Kernthema sind die Probleme, Ängste und die Nervosität in der Phase 2, wenn es heißt:
Bühne auf!
Oft sprechen mich Teilnehmer an und schildern ihre Ängste, bzw. äußern den Wunsch, auch einmal frei sprechen zu können, ohne dass die Nervosität und der Angstschweiß ihnen in das Gesicht geschrieben stehen. Einmal auch eine „Rampensau“ zu sein, ist das möglich?
Diese Rolle ist nur sehr wenigen vergönnt, doch diese Gabe wurde ihnen nicht in die Wiege gelegt, sondern diese Fähigkeit wurde über viele Jahre hart antrainiert.
Wie bereitet man sich vor? Wie überwindet man die Nervosität? Dazu muss man wissen, jeder Vortragende ist nervös. Selbst nach mehr als 100 Vorträgen stellt sich bei Profis die Nervosität noch ein, doch diese Menschen haben gelernt, diese Anspannung in positive Vortragsenergie umzuwandeln.
Alle weiteren Faktoren Augenkontakt, Gestik, Mimik, Artikulation, Körperspannung, Atmung und Artikulation lassen sich mit wenigen Stunden Training erwecken und erlauben es, auf der Bühne erste Erfolge zu erzielen. Für die Spitzenleistung gilt jedoch, wie in allen erlernbaren Bereichen: trainieren, trainieren, trainieren.
Das erste Beruhigende an dieser Situation ist, dass die Digitalisierung vieles bei der Vorbereitung erleichtern kann. Das zweite Beruhigende ist, dass nicht jeder eine „Rampensau“ sein muss, aber er kann erste Schritte unternehmen, um das Präsentationserlebnis von Mensch zu Mensch lebendiger, wirkungsvoller und inspirierender zu gestalten!
ANXO. Wir verändern Ihre Welt.
Quellen
[1] D. Kahneman, Schnelles Denken, langsames Denken (2017), Penguin Verlag. S.44 ff u. 58 ff
[2] Die 7 - 38 - 55 - Regel nach Albert Mehrabai; https://www.toolshero.com/communication-skills/communication-model-mehrabian/
Ihr Ansprechpartner Dr. Christian Kühl
Tel.: +49 (0)6192 40 269 0
E-Mail: christian.kuehl@anxo-consulting.com
Erfahren Sie mehr über Dr. Christian Kühl
Weitere spannende Artikel zu diesem Thema:
Verkaufserfolg durch Persönlichkeitsklassifizierung des Interessenten
Create your own brand oder wie finde ich meinen persönliche Marke