Höhere Preise bei Investitionsgütern durchsetzen
Aber wie?
28.10.2021 | Artikel von Gunter Hemmer
Die Lieferketten sind weiterhin fragil und die Kostenspirale bei Rohstoffen und Vorprodukten dreht sich weiter. Aktuell gehen drei Viertel der Einkaufsverantwortlichen in der Industrie von weiteren anhaltenden Preissteigerungen bis weit ins kommende Jahr aus.
Das ist Gift für die produzierende Industrie, wobei Großunternehmen hier häufig noch besser aufgestellt sind, in dem sie beginnen die Kostensteigerungen über höhere Preise an die Endkunden weiterzugeben. Im Bereich Investitionsgüter belastet die Situation gerade mittelständische Unternehmen erheblich, vorhandene Aufträge termin- und kostenseitig sauber abzuwickeln.
Noch deutlicher zeigt sich die Kostensituation bei den Logistikkosten, die Containerfrachtraten (CSFI-Index) haben sich innerhalb der letzten 12 Monate fast verfünffacht, die Kosten für Luftfracht stiegen im gleichen Zeitraum um fast 20%.
Diese Entwicklung hat enormen Einfluss auf die Profitabilität bestehender und künftiger Aufträge.
Ein Beispiel: Ein Maschinenbauunternehmen erzielt regelmäßig 20% Deckungsbeitrag im Auftragseingang. Steigen die Kosten bei den Material- und Logistikkosten lediglich um 10%, bedeutet dies, bei einem Material- und Logistikanteil von ca. 40%, eine Schmälerung des Deckungsbeitrages und damit auch des operativen Ergebnisses auf 16%, was einer Reduzierung von 20% entspricht.
Wie kann die Kostensteigerung kompensiert werden?
Vorausgesetzt die Kostensteigerung kann nicht durch Kostensenkungen an anderer Stelle kompensiert werden, gibt es nur zwei Möglichkeiten, um unter dem Strich das gleiche Ergebnis erzielen zu können:
- Erhöhung der verkauften Einheiten und damit höherer Umsatz bei gleichen Verkaufspreisen
- Erhöhung der Verkaufspreise je verkaufter Einheit
Um die Kostensteigerung zu kompensieren, würde das in unserem Beispiel bedeuten, dass das Unternehmen 25% mehr Auftragseingang bei gleicher Marge erzielen müsste. Eine so erhebliche Steigerung des Umsatzes ist eher unrealistisch. Darüber hinaus erfordert ein steigendes Umsatzvolumen natürlich irgendwann eine Anpassung der Strukturen, was zusätzliche Kosten verursacht.
Realistischer könnten die Kosten auch über eine Anpassung der Verkaufspreise ausgeglichen werden. Hierzu müssten insgesamt lediglich 4% höhere Verkaufspreise durchgesetzt werden, mit der gleichen Auswirkung auf das operative Ergebnis.
Das Beispiel macht sehr deutlich, wie stark sich die Verkaufspreise auf das unternehmerische Ergebnis auswirken bzw. was passiert, wenn man diese nicht anpasst. Ein höherer Verkaufspreis wirkt sich zu 100% direkt auf das Ergebnis aus!
Auch vor der aktuellen Kostenentwicklung war das Bewusstsein für den enormen Einfluss des Verkaufspreises leider nicht in allen Unternehmen vorhanden. Geringere Margen zu argumentieren war schon immer einfacher als fehlenden Umsatz. Und das Verständnis, dass 3% Rabatt je nach Marge 15-20% mehr Umsatz erfordern, fehlt vielen. Auch das Top Management schaut häufig immer noch zuerst auf das Volumen, die Preisqualität wird häufig mit dem Wettbewerbsdruck argumentiert und auch akzeptiert.
Das Thema ist nicht einfach und erfordert Führung aber auch eine klare und durchgängige Argumentationskette. Die Preise einfach anzuheben kann durchaus wirken, wenn der Kunde aktuell keine Alternativen hat oder ein Anbieterwechsel kurzfristig sehr aufwändig ist. Aber die Gefahr besteht, dass sich die Kunden übervorteilt fühlen und mittelfristig nach Alternativen suchen.
Dass sich die Kostensituation zeitnah in Luft auflöst, ist eher unwahrscheinlich. Daher ist hier schnelles und systematische Handeln erforderlich. Denn jeder neue Auftrag wird mit den gestiegenen Kosten unweigerlich belastet, es sei denn Unternehmen haben mit Kontrakten vorgesorgt.
Das Thema hat aktuell eine hohe mediale Präsenz und auch auf Kundenseite dürfte die Kostenentwicklung hinlänglich bekannt sein.
Wenn nicht jetzt wann dann?
Der Angang von Preiserhöhungen ist ein schwieriges Thema aber sicherlich zum jetzigen Zeitpunkt deutlich einfacher zu argumentieren, als wenn sich in einigen Monaten die Situation wieder entspannen sollte. Dann geht es vermutlich wieder in die andere Richtung, was viele Unternehmen im letzten Jahr bei fehlenden Auftragseingängen schmerzlich erlebt haben.
Welche Faktoren beeinflussen die Preisbereitschaft?
Auch wenn häufig versucht wird Angebote verschiedener Bieter möglichst vergleichbar zu machen und die eigentliche Einkaufsentscheidungen nur noch auf den Preis zu reduzieren, spielen in der Realität eine Vielzahl von Faktoren bei der Vergabeentscheidung eine Rolle:
- Trifft die angebotene Leistung wirklich die Erwartungen des Kunden?
- Wie werden der Produktnutzen und die Produktqualität wahrgenommen und bewertet?
- Wie gut ist die Servicequalität und der Support?
- Wie ist das Buying Center zusammengesetzt und welche Entscheidungsprozesse gibt es?
- Welchen Einfluss haben Nutzer und Beeinflusser?
- Was kostet den Kunden ein Anbieter- bzw. Systemwechsel?
- Wie gut und einfach läuft die Zusammenarbeit („easy to do business with“)?
- Gibt es Referenzen oder Vorzugslieferanten?
Wie können höhere Preise argumentiert und durchgesetzt werden?
Höhere Verkaufspreise wirklich im Markt durchzusetzen stellt eine schwierige Management- und Führungsaufgabe dar. Eine erfolgreiche Preisdurchsetzung ist am Ende eine Frage der individuellen vertrieblichen Stärke sowie der Führungsstärke der Vertriebsverantwortlichen. Voraussetzung hierfür sind klare Rahmenbedingungen und Instrumente, eine klare Argumentationskette und vor allen Dingen das Commitment des Managements:
- Gibt es eine klare Preissetzung und eine schlüssige Preisargumentation?
- Gibt es ein klares und gelebtes Eskalations- und Konditionensystem?
- Welchen Stellenwert haben höhere Verkaufspreise gegenüber dem Umsatzvolumen?
- Sind die Ziele des Preismanagements in den bestehenden Entlohnungs- / Incentivesystemen abgebildet?
- Wie stark sind die Führungskräfte im Vertrieb?
- Welche Controllinginstrumente machen die Preisdurchsetzung transparent?
Betrachtet man das Thema Preismanagement gesamthaft, kommt der Preisdurchsetzung, neben strategischen und organisatorischen Fragestellungen und der Frage wie die Preise festgesetzt werden, eine zentrale Bedeutung zu. Aus der Erfahrung des Autors aus zahlreichen Beratungs- und Interimsmandaten bei der Realisierung und Implementierung von Pricing-Themen haben wir ein ganzheitliches Pricing-Modell entwickelt. Der Schwerpunkt liegt auf einer klaren und pragmatischen Umsetzbarkeit in der unternehmerischen Praxis.
Ein erfolgreiches Preismanagement ist umsetzbar und es lohnt sich, wenn es konsequent angegangen wird.
Ihr Ansprechpartner Gunter Hemmer
Tel.: +49 (0) 6192 40 269 0
Email: gunter.hemmer@anxo-consulting.com
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