Starke Marken als Schrittmacher für Sortimente

 

 

02.09.2022 | Artikel von Dr. Ottmar Franzen

 

Zu den vielen gegenwärtigen Krisen kommt aktuell noch eine inflationsgetriebene Absatzkrise hinzu. Waren in den letzten zwei Pandemiejahren vor allem gestiegene Konsumausgaben für Do-It-Yourself- und Gartensortimente, Wohnen und Elektronik zu beobachten, zeigen sich gerade hier aktuell Sättigungstendenzen und nach hinten verschobene Anschaffungsplanungen.

Die Nachfrage seitens privater Kunden braucht stets Impulse, um neu geweckt zu werden. Warum sollte ich mir einen neuen Rasenmäher kaufen, wenn der alte nicht kaputt ist? Oder was gibt mir den Anreiz, neben einem Elektrogrill noch einen mit Holzkohle befeuerten Kugelgrill zu kaufen? Zwar fördern Werbung und attraktive Preisnachlässe kurzfristige Kaufentscheidungen. Bedarf und damit Nachfrage werden aber nur geweckt, wenn Produktalternativen einen echten Mehrwert oder Zusatznutzen bieten. Und natürlich, wenn sie begehrenswert erscheinen.

 

Starke Marken setzen Impulse

Starke und attraktive Marken setzen Innovationsimpulse in den Sortimenten und bringen auch in gesättigten Märkten Verbraucher zum Kauf. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Märkte im Dornröschenschlaf liegen, weil sie als irrelevant für Marken gesehen werden. Aber kann das überhaupt möglich sein? Die Analyse von Marken zeigt, dass starke Marken unentbehrlich sind, um Sortimente aktuell zu halten. Insofern profitieren von starken Marken im Angebot Händler wie Hersteller gleichermaßen.

Ein kurzer Blick in die Thesen von Hans Domizlaff, die dieser bereits im Jahr 1939 publiziert hat, erinnert daran, dass es so etwas wie einen natürlichen Prozess der Markenbildung gibt. Ein überzeugendes Produkt mit einem klaren Kundennutzen wird weiter empfohlen, spricht sich herum – wird quasi automatisch zur Marke.

Nun existieren aber Märkte, die per se für Marken relevanter erscheinen als andere. Unstrittig ist, dass wir im Markt für Autos oder Parfums jede Menge starke Marken haben, die die markentechnische Entwicklung von Märkten vorantreiben.
Im Rahmen unserer Markenwertanalysen haben wir zahlreiche Märkte kennen gelernt, in denen über-haupt keine starken Marken zu finden oder nur eine oder zwei davon entstanden sind. Man denke etwa an den Markt für Papiertaschentücher oder im Heimwerkerbereich an den für Schrauben und Dübel (in ersterem sind die Marken Tempo und Softies zu nennen, im zweiten allein die Marke Fischer).

Dass sich ein Investment in Markenaufbau aber lohnt, wird intuitiv an einem Beispiel deutlich, das zeigt, wie eine Pioniermarke den Markt überhaupt erst markentechnisch zu entwickeln vermag. Dieses Phänomen ist oft auf Märkten zu beobachten, die in Summe nicht sehr stark beworben werden. Starke Marken sind auf solchen Märkten die Schrittmacher des Wettbewerbs und der Produktentwicklung – oftmals so stark, dass sie sogar zu Gattungsbegriffen mutieren.

 

Musterbeispiel: Weber-Grill als Trendsetter

Ein geradezu musterhaftes Beispiel, das wir bei unseren Marktuntersuchungen gefunden haben, ist die Marke Weber Grill. Bis vor wenigen Jahren waren die üblichen Garten-Holzkohlegrills nicht gerade technologisch anspruchsvolle Produkte. Sie bestanden aus einer Stahlschale und einem Grillrost. Anspruchsvollere Grills hatten immerhin eine Belüftung am Boden durch simple Löcher oder verstellbare Lamellen.

Weber Grill brachte als Innovation das geschlossene Grillen mit Deckel nach Europa. In Amerika war diese Methode des Grillens schon weit verbreitet, für Deutschland aber eine Innovation. Dieser technologische Impuls für das langweilige Produkt Holzkohlegrill führte zu so etwas wie Marken-bewusstsein auf einem Markt, der bis dahin praktisch keine Marken kannte.

In so einer Ausgangssituation reichen bereits geringe Investments in die Marke, um diese aus dem Wettbewerbsumfeld deutlich herauszuheben. Aktuell hat unter den privaten Baumarktkunden nur Weber-Grill mit knapp 60% einen hohen Bekanntheitsgrad. Mit großem Abstand und Werten von 36% folgen Landmann sowie mit 24% Rösle. Damit setzt sich Weber Grill klar von seinen Wettbewerbern überproportional ab und kann als Motor für diesen Markt verstanden werden.

 

Gerade auf markentechnisch wenig entwickelten Märkten lohnt sich ein Investment in Marke

Wir haben gelernt, dass auf Märkten mit vielen starken Marken ein Investment in die Marke unerlässlich ist. Aber auf Märkten mit nur wenigen starken Marken scheint sich das Investment in die Marke überproportional zu lohnen: Die Markenwertschöpfung ist hier besonders hoch!

Diese Erkenntnisse sollten Unternehmen, die auf Märkten mit ausschließlich schwachen Marken aktiv sind, motivieren ihre eigenen Marken konsequent aufzubauen. In dieser Entwicklungsphase sind die Potenziale für die Wertschöpfung besonders hoch und eine Marke hat die Chance, zum Schrittmacher für das gesamte Sortiment zu werden.

Dass Investitionen in Markenbekanntheit helfen, auch imageseitige Wertschöpfungspotenziale zu heben, wird auch in den Beurteilungen der Markenleistungen deutlich. So punktet Weber als be-kannteste Marke auch in allen relevanten Imageeigenschaften und hebt sich deutlich vom Durchschnitt aller Wettbewerber ab. Geringe Unterschiede in der Wahrnehmung der Markenleistung werden nur bei generischen Aspekten erkennbar, die auf alle Anbieter gleichermaßen zutreffen.

 

Zusammenfassung

Am Beispiel Weber Grill wird sehr schön erkennbar, dass auf markentechnisch wenig entwickelten Märkten Investments in die Marke eine überproportional hohe Wirkung erzielen können. Insofern hilft neben dem detaillierten Blick auf die einzelne Marke immer auch eine Analyse der gesamten Markt-situation. Wird der Markt von einer oder zwei Marken dominiert oder ist eine Vielzahl von starken Marken zu finden? Wie hoch ist der Abstand der starken Marken zu den nächst schwächeren Marken?

Wer dabei als erster Anbieter, sozusagen als Pionier seine Marke konsequent entwickelt, wird sich deutlich von den Mitbewerbern abheben und die eigene Marke als Schrittmacher für den gesamten Markt positionieren. Händler, die die führenden Marken unterstützen und ihr auf der Verkaufsfläche entsprechende Entfaltungsmöglichkeiten einräumen, werden das gesamte Sortiment voranbringen und dauerhaft im Fokus ihrer Kunden halten. Sie nutzen zielgerichtet starke Marken als Schrittmacher für ihre Sortimente.

 

Ihr Ansprechpartner Dr. Ottmar Franzen

Tel.: +49 (0) 6192 40 269 0
Email: ottmar.franzen@anxo-consulting.com

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