Digitales Marketing

Sechs wichtige Herausforderungen für 2023

 

06.12.2022 | Artikel von Sven Bornemann

 

Auch in 2023 wird es im Digitalen Marketing abseits der aktuellen, multiplen Krisen wieder Themen und Herausforderungen geben, mit denen sich die Unternehmen auseinandersetzen müssen. Neben konzeptionellen und technischen Entwicklungen spielen auch rechtliche und regulatorische Aspekte eine Rolle.

Worauf muss sich die Branche im Jahr 2023 einstellen? 

 

Cookiecalypse – nun aber wirklich?

Wie bereits in den vergangenen Jahren wird das Thema der sterbenden Third Party Cookies den digitalen Markt auch in 2023 weiter beschäftigen. Bereits seit 2019 haben sich – abgesehen von Google / Chrome fast alle Anbieter marktrelevanter Browser entschieden, keine Cookies von Drittparteien (Third Parties) mehr zuzulassen. Damit begann auch die Diskussion um die Zukunft der Nutzer-Identifizierung, des Consent-Managements und des Targetings. Bis 2024 will nun auch Google in seinem Chrome Browser die Third Party Cookies abschalten. Bis dahin hat der Markt nun voraussichtlich Zeit, sich für Cookie-Alternativen zu entscheiden.

Seit Längerem gibt es bereits ausgereifte Alternativen, die Unternehmen tun sich einer Entscheidung allerdings immer noch extrem schwer. Ein Grund ist die Komplexität der Implementierung einer solchen Lösung. Viele Online Angebote sind technisch und konzeptionell über Jahre gewachsen. Ein Ersatz von Third Party Cookies durch beispielsweise einen Identifier hat eine kaum einzuschätzende Komplexität.

Dennoch – Handeln ist überfällig. Der Markt benötigt endlich eine Einigung auf einen neuen Standard. Zu Standards entwickeln sich allerdings nicht immer nur die ausgetesteten, objektiv allerbesten Lösungen. Oftmals geht es einfach nur darum, sich auf eine praktikable Lösung zu einigen. Wie wäre es also, wenn sich in 2023 die relevanten Akteure auf Vermarktungs-, Agentur- und Werbetreibenden-Seite nach Jahren des Zögerns und der Diskussionen auf ein oder zwei der vorliegenden Konzepte einigen? So könnte man endlich Handlungsfähigkeit zeigen und sich zugleich ein Stück aus der Abhängigkeit von den großen Plattformen befreien. Das wäre ein wichtiges erstes Ziel für 2023!

Auch an der nächsten Herausforderung wird in 2023 kein Unternehmen im Digitalmarkt vorbeikommen:

 

First Party Datenstrategien

Unabhängig von der Frage, wie man als Unternehmen mit dem bevorstehenden Verschwinden der Third Party Cookies umgehen will, ist eines klar: Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen, die ihre Nutzer online ansprechen wollen, müssen dies DSGVO-konform tun.

Dazu gehört, dass der Nutzer dem Anbieter

  • seine Daten selbstbestimmt und freiwillig überlässt
  • eine explizite Einwilligung zur Nutzung seiner Daten gibt

 

Nur so ist eine persönliche Ansprache durch den Anbieter überhaupt möglich. Wichtig dabei: Datenerhebungen durch Dritte und Datenweitergaben ohne explizites OK des Users sind rechtlich schon längst nicht mehr zulässig.

Daten und Einwilligungen des Nutzers bekommen Unternehmen DSGVO-konform nur durch die direkte Interaktion mit dem Nutzer, daher der Begriff First Party Daten. Möglichkeiten dazu gibt es viele. Sie ergeben sich meist aus der Art des Online Angebots sowie von dessen Attraktivität bzw. Relevanz für den Nutzer. Nur dann, wenn er für sich einen Mehrwert erkennt, wird er sich bei einem digitalen Angebot registrieren und damit Daten bereitstellen.

Bislang haben kosten- und registrierungsfreie Angebote das Web dominiert, die Monetarisierung läuft oftmals über Werbung. Nutzerdaten wurden von Dritten zugekauft oder auf der eigenen Website über Newsletter- oder Gewinnspiel-Registrierungen generiert. Über welche echten Mehrwerte wird es Online Anbietern künftig gelingen ihre Online Nutzer zu einer Registrierung mit Daten und einer Einwilligung zu deren Nutzung zu bewegen?

Diese strategische Frage müssen Unternehmen jetzt für sich beantworten. Hier sind Kreativität und Mut gefragt und in vielen Fällen werden die hierfür zu entwickelnden First Party Datenstrategien auch zu neuen Konzepten, Geschäfts- und Monetarisierungs-Modellen für Online Angebote führen.

Ein Beispiel für ein neues erfolgreiches Angebot im digitalen Marketing ist Werbung direkt am digitalen Point-of-Sale:

 

Retail Media

Seit 2021 etabliert sich Retail Media, also die Präsentation von Produktwerbung direkt im Online Shop, zunehmend. So bieten in Deutschland inzwischen ein Gutteil der Top100 Online Shops Retail Media als effizienten Werbekanal an. Das liegt nahe, denn Shop-Nutzer sind im „Kaufmodus“ und deshalb für passende Werbeangebote durchaus empfänglich.

Die Themen Effizienz und Produktverkauf stehen als Retail Media Kampagnenziele im Fokus. Nutzer starten Produktsuchen immer öfter direkt in Online-Shops, sie befinden sich beim Kontakt mit dem Werbemittel im Shop damit bereits im sog. Funnel, im Prozess hin zum Kauf.

Das macht Retail Media attraktiv. Es ist aber auch deshalb für Werbetreibende interessant, da ein personalisiertes Targeting nicht unbedingt erforderlich ist. Der Nutzer hat sich durch sein Such- und Surfverhalten im Shop bereits hinreichend selbst qualifiziert.

2023 wird Retail Media den breiten Durchbruch im deutschen Markt bringen. Agenturen und Werbetreibende sollten sich daher sehr schnell mit den Mechanismen dieses neuen Marketing Kanals vertraut machen.

Das gilt ebenso für die Anbieter von Tools zur (weitgehenden) Automatisierung des Digitalmarketings. Auch hier wird sich die Entwicklung im neuen Jahr weiter beschleunigen.

 

Marketing Automation

Mit der Weiterentwicklung des digitalen Marketings wächst auch die Anzahl an und die Komplexität der Software-Tools, mit denen Online Kampagnen automatisiert ausgesteuert und in Echtzeit optimiert werden können.

Niemand kann manuell überblicken, wo und wie Budgets einer laufenden Kampagne optimal ausgesteuert werden sollten. Programmatische Werbung erfordert Entscheidungen in Echtzeit und 24/7. Doch gerade im Markt der Marketing Automatisierungs-Tools gibt es viel Bewegung. Bereits seit Jahren findet hier eine kontinuierliche Konsolidierung statt. Andererseits gibt es auch immer wieder neue Entwicklungen (z.B. First Party Daten oder Retail Media), die nach neuen Werkzeugen wie Data Clean Rooms, Customer Data Platforms u.a.m. verlangen.

Die Entwicklung neuer Tools wird also weitergehen. So wuchs laut dem Report „State of Martec 2022“ von Brinker/Riemersma die Anzahl der Marketing Technologie Unternehmen trotz Konsolidierung seit 2020 weltweit um etwa 24%. Diese Entwicklung macht es den Entscheidern auf der Buy- wie auf der Sellside nicht einfacher, Tool-Entscheidungen zu treffen. Diese sollten zudem eine Haltbarkeit von mindestens 1-2 Jahren haben um sie halbwegs sinnvoll in die Unternehmensabläufe integrieren zu können.

Wenn es gut läuft, werden wir aber in 1 - 2 Jahren ein besseres Bild davon haben, ob und wie ein anderes Thema, die digitale Wirtschaft beeinflussen wird:

 

Metaverse

  • Welche Möglichkeit bietet eine virtuelle Welt dem Digitalmarketing und anderen digitalen Geschäftsmodellen?
  • Was ist beim Metaverse in 2023 anders als vor 15 Jahren beim gescheiterten Second Life?
  • Für welche Themen und in welchen Branchen lässt sich das Metaverse sinnvoll nutzen?
  • Gibt es überhaupt DAS Metaverse, oder sprechen wir nicht eher von mehreren Metaversen?
  • Wie geht man als Unternehmen damit eigentlich sinnvoll um?

 

Dies sind nur einige der Fragen, die sich in der aktuellen Diskussion rund um das Thema Metaverse stellen. Nachhaltige Antworten gibt es bisher allerdings kaum. Unternehmen wie Facebook setzen als sogenannter Enabler allerdings voll auf die neuen Welten, investieren Millionen- oder Milliardenbeträge und nennen sich sogar um in „Meta“. Potenziale scheint es also zu geben.

Erste Studien zeigen, dass sich im Metaverse nicht nur für Branchen wie Fashion und Beauty interessante Möglichkeiten ergeben können. Neben virtuellen Produkten und Accessoires für den eigenen Avatar gibt es bereits ersten Konzepte und Anbieter für weitere Anwendungsfelder. Virtuelle Showrooms und Messen, virtuelle Meetings und Einkaufserlebnisse. Auch intelligente Verknüpfungen zwischen der realen und der virtuellen Welt werden bereits erprobt.

Die potenziellen Zielgruppen für Metaverse-basierte Angebote sind heute andere als bei Second Life vor 10 bis 15 Jahren. Die „always-on“ aufgewachsenen Millennials werden die Generation sein, die über die erfolgreichen Konzepte des Metaverse entscheiden wird.

Das sollte man in den Unternehmen im Hinterkopf behalten und auch nicht davon ausgehen, dass fertige, erprobte Konzepte in Kürze zur Umsetzung bereit liegen werden. Für Unternehmen in B2B und B2C macht es daher sehr viel Sinn, sich bereits jetzt mit dem Thema zu beschäftigen. Eine gute Gelegenheit für die Entscheider in Unternehmen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubeziehen und gemeinsam nach neuen Ideen und Ansätzen zu suchen.

Über die Teams in den Unternehmen wird im Zusammenhang mit dem anhaltenden digitalen Wandel ohnehin zu selten gesprochen. Nicht nur für die Unternehmen, auch für die Menschen darin sind die hier skizzierten Veränderungen sowohl Chance zur Weiterentwicklung als auch Herausforderung.

 

Know-how Management

Die digitale Entwicklung der Wirtschaft wird nur funktionieren, wenn die Menschen in den Unternehmen, Leitungsebene und Mitarbeiter, die Veränderungen verstehen, unterstützen und operativ umsetzen können.

Elementar ist dabei die (Weiter-)Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Geschäftsmodelle entwickeln sich weiter, die Kompetenzprofile der Mitarbeiter im Unternehmen verändern sich mit ihnen.

Angesichts vieler neuer erforderlicher Kompetenzen und der Geschwindigkeit der Veränderungen ist es für viele Unternehmen eine Option, Themen outzusourcen. Gerade in den neuen, technisch geprägten Themenfeldern gibt es inzwischen viele spezialisierte Dienstleister.

Zu beachten ist hierbei, dass ein umfassendes Outsourcing von Aufgaben auch Gefahren birgt: Kritisch wird es, wenn ein Unternehmen in Kernthemen nicht mehr selbst entscheidungsfähig ist, weil strategische Aufgaben weitgehend an externe Dienstleister outgesourced wurden. So entstehen schrittweise kritische Abhängigkeiten von den eigenen Dienstleistern.

Unternehmen sollten daher darauf achten, das Know-how ihrer Mitarbeiter zu entwickeln und kritisches Wissen intern zu halten. Ganz nebenbei führen solche Veränderungen der internen Aufgabenverteilungen auch zu motivierten Teams, die, ebenso wie das Unternehmen für sich selbst die Chancen der Digitalisierung erkennen und damit sich und andere motivieren. Ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor in einer sich immer schneller verändernden Wirtschaft, mit immer neuen Herausforderungen und einem eklatanten Fachkräftemangel.

Die gute Nachricht: Die Innovationskraft des Digitalmarktes ist trotz schwieriger externer Rahmenbedingungen ungebrochen. 2023 wird für das digitale Marketing – wieder einmal – ein herausforderndes und spannendes Jahr werden. Lassen wir uns nicht ungewollt überraschen, sondern gehen wir planvoll vor.

 

 

Ihr Ansprechpartner Sven Bornemann

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