Wenn alles nichts nützt
Die CPOs in und vor allem vor der drohenden Schieflage oder Insolvenz
17.05.2024 | Artikel von Jost H. Buthmann
Der Erneuerungs- / Restrukturierungsdruck ist unverändert hoch. Ebenso der permanente Markt- und Wettbewerbsdruck. Der Nachhall der Pandemie, das Kriegsgeschehen in Europa und, man muss es so deutlich sagen, die politisch gewollte und immer weiter ausufernde Bürokratie lähmen unsere Betriebe. Deutschland steht im internationalen Vergleich nicht gut da. So überrascht es nicht, dass die Zahl der Insolvenzen wieder stark steigt, vor allem in mittelständischen Betrieben.
Ja, die Gesamtwirtschaft muss sich regelmäßig von nicht dauerhaft tragfähigen Geschäftsmodellen und deren Betrieben trennen. Aber, gerade wenn das Schlimmste droht, ist Ihre Einkaufsabteilung und Ihr Supply Net eine der Speerspitzen, um im Positiven und gezielt auf die finanzielle Lage der Fima einzuwirken. Das gelingt in aller Regel aber nur, wenn man „nicht zu spät kommt“, dass heißt, wenn die offene und transparente Diskussion mit den Lieferanten rechtzeitig und proaktiv geführt wird.
Sobald die ersten Rechnungen ohne Absprache unbezahlt bleiben, sobald die vorhandenen Bestelllimits voll ausgereizt und überzogen werden, wird es äußerst schwierig, noch „good will“ bei den Lieferanten einzufordern. Erstens sprechen sich die eigenen Schwierigkeiten sehr schnell und unkontrolliert im engeren Beschaffungsumfeld herum, was nicht hilfreich ist. Und zweitens machen die sehr sensiblen und aufmerksamen Kreditversicherer selbst den gesprächsbereiten Lieferanten dann schnell einen Strich durch Pläne, verweigern nicht nur eine höhere Deckung, sondern schlimmer noch, fahren bei solchen Gelegenheiten gerne die Kreditlimits zurück.
Damit es dazu nicht kommt muss in enger Abstimmung mit der Geschäftsführung und gegebenenfalls externen Beratern alles auf den Prüfstand. Da gibt es keinen Stein, der nicht umgedreht wird, keine noch so „heiligen Kühe“ und liebgewonnenen Gewohnheiten, die nicht in Frage gestellt und einer rigorosen Kostensenkung geopfert werden.
Im Folgenden dazu ein paar vertiefte Ansatzpunkte:
- Alle Lieferanten-Verträge kommen auf den Prüfstand, gerade in der laufenden Vertragsperiode müssen jetzt Zugeständnisse mit den Lieferanten verhandelt werden. Alle Preise und Konditionen, Rabattstrukturen und Preisstaffeln sowie die Zahlungsziele müssen maximal ausverhandelt werden. Die Maxime ist „the price below which you’d rather not do the business“, in anderen Worten, die Grenzen, bei denen die Lieferanten notfalls auf das Geschäft verzichten würden, müssen ausgereizt werden. Ebenso müssen für die offenen Posten Stundungspläne ausgenarbeitet und fixiert werden. Das alles verbessert direkt den Cashflow des Unternehmens
- Die aktuellen Qualitäten aller Produkte und Dienstleistungen müssen kritisch hinterfragt werden. Ganz besonders im produzierenden Gewerbe sind 1-2 Stufen weniger Qualität in der Regel mit direkten Einsparungen behaftet, ohne dem Handel / Endverbraucher merklich schlechtere Ware zu liefern. Das gilt auch für Testate & Prüfsiegel, diese müssen kurzfristig ausgesetzt oder herabgestuft werden, um direkte Kostensenkung zu erreichen. Das muss in vielen Fällen mit dem Kunden abgesprochen werden, ist aber unumgänglich
- Um die Komplexität in den oben genannten Verhandlungen zu reduzieren, den gesamten source-2-pay Prozess zu optimieren und zu beschleunigen, muss überlegt werden, die Anzahl den Lieferanten erheblich zu reduzieren. Das schränkt zwar den Wettbewerb etwas ein, erhöht aber erheblich die Effizienz, Effektivität und Erfolgsaussicht in den unangenehmen Gesprächen und Verhandlungen
- Die Inbound- und Outbound-Logistik ist zu optimieren. Die Lagerbestände müssen runter, bei
- Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen genauso wie bei den Fertigwaren. Zu einem Teil der unangenehmen Wahrheit gehört auch jetzt die oftmals ausufernde Produktvielfalt zurückzufahren. Die xx-fache Geschmacks- oder Duftnote, die jede erdenklich Nische bedient, ist nicht mehr darstellbar. Einzig die Umsatzstärksten Varianten werden weiter bedient. Somit können auch die eigenen und fremden Außenläger zusammengestrichen werden
- Die vorhandenen Savings Potenziale müssen voll ausgereizt werden. Flächengewicht, Materialstärken, Verpackungsdetails zum Beispiel in Wandstärken und Stauch Druck müssen runter, bis wirklich nichts mehr geht. Dazu sind intern Absprachen mit der GF, dem Vertrieb und der Entwicklung zu treffen, um die Änderungen gegebenenfalls auch gemeinsam nach außen zu tragen. Vor allem müssen die riskanten und Risko behafteten Entscheidung getroffen werden. Das üblich interne taktieren, ausloten und abwarten ist keine Alternative mehr
- Wenn noch ausreichend Zeit vorhanden ist um gezielt zu agieren, dann sind Finanzierungsmöglichkeiten wie Wareneinkaufsfinanzierung, Konsignationslager, Factoring, Leasing und vieles mehr umzusetzen. Das sind unter Umständen auch schon die richtigen Weichenstellungen für die langfristige Umstrukturierung und Transformation der Firma
- Last but not least, alle nicht strategische Ausgaben werden mit sofortiger Wirkung ausgesetzt oder besser noch gleich ganz gestrichen. Beispiele hierfür sind die Grundstücks- und Grünpflege, Reinigungsdienstleistungen, Postdienstleistungen, externe Security. Und ja auch Dinge wie Verpflegung / Kantine oder Arbeitskleidung, Leih- und Mietwäsche sind zu hinterfragen, selbst wenn es bedeutet in bestehenden Betriebsvereinbarungen einzugreifen und diese Verhandlungen aufzubrechen
Jede abgewendete Insolvenz und Sanierung, so schmerzhaft sie für die direkt Betroffenen auch ist, wird letztendlich für alle ein Gewinn. Es bleiben Arbeitsplätze und Know-how erhalten, Ressourcen werden nachgefragt, Löhne, Gehälter, Steuern und Abgaben werden weitergezahlt. Die Insolvenz wäre auch für die Volkswirtschaft ein um Vielfaches größerer Schaden.
Nur echtes Vertrauen in die Lieferanten und die immer weiter vertiefte und sehr enge Zusammenarbeit in Ihrem Supply Net kann hier erfolgreich sein. Die rechtzeitige, offene und transparente Kommunikation mit allen Lieferanten bleibt der Schlüssel zum Erfolg.
Wenn Sie diese Themen auch im Unternehmen wahrnehmen und angehen wollen, dann haben wir die Experten und Methoden, die Werkzeuge und Instrumente, um gemeinsam Ihr Supply Net, das Beschaffungsmarketing und das Lieferantenmanagement auch im Jahr 2024 nachhaltig und gezielt zu entwickeln.
Ihr Ansprechpartner Jost H. Buthmann
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