Führung und Bescheidenheit

ein gutes Duo für moderne Führungskultur

Dagmar Strehlau

 

„Bescheidenheit ist eine Zier“ – dieser Spruch dürfte vielen von uns noch aus der Kindheit in Erinnerung sein – er wurde von den Großeltern häufig im Zusammenhang mit „Demut“ zitiert. In der heutigen Zeit hat man den Eindruck, dass dieses alte Wertesystem nicht mehr „zeitgemäß“ ist. Wer sich zurückhält und sich nicht nach vorne drängt, ist in dieser „schnellen“ Gesellschaft häufig zu unauffällig um beachtet zu werden. Selbstmarketing gilt als Garant für Erfolg im Beruf.

Aber die agile Führung ruft hier zu wesentlich mehr Zurückhaltung auf, es geht nicht mehr darum mit Dominanz zu führen, sondern eher darum das Team selbst agierend zu lenken und sich selbst eher in den Hintergrund zu stellen. Im Prinzip etwas bescheidener zu werden, Führung und Demut miteinander in Verbindung zu setzen.

Bescheidenheit und Demut – in Zusammenhang mit erfolgreichem Management, vom Gefühl heraus eher gegenteilig? Schaut man sich die originäre Definition des Begriffs „Demut“ einmal näher an, wird der Grundgedanke schon etwas deutlicher. Der Ausdruck „Demut“ kommt aus dem althochdeutschen „diomuoti“ und bedeutet „dienstwillig“ (Wikipedia). Schon Friedrich der Große definierte den Herrscher als „den ersten Diener des Staates“. In diesem Sinne wäre also eine demütige Sichtweise im Bereich Führung eine „dienende Ausrichtung“ im Management.

Robert Greenleaf ist Begründer dieser Führungsphilosophie und sieht das Wirken von Führenden als Dienst am Geführten. Führen beginnt hier mit einem „Grundbedürfnis des Führenden einen eigenen Beitrag zum Wohl einer Organisation oder anderer Individuen zu leisten und endet mit dem Vertrauen, das die Geführten daraufhin in die Führung dieser Person setzen – und ihr freiwillig folgen“ (Krost, M. & Kaehler, B.). In der USA findet man diesen Führungsansatz in vielen Unternehmen, häufig kombiniert mit einer christlichen Wertevorstellung.

In Deutschland ist das eine Sichtweise, die nicht so verbreitet erscheint, aber wenn man sich das Beispiel Friedrichs des Großen ansieht – ist sie schon lange auch hier zu finden. Wie weit sind wir bereit zu „dienen“, uns demütig zu zeigen? Liegt es uns als Führungskraft so aufzutreten?

In erster Linie ist das „Dienende“ ein wichtiger Faktor – es geht nicht darum sich zu unterwerfen und alles zu tun, was die Mitarbeiter wollen, sondern sich daran zu orientieren, was die Bedürfnisse sind.

Für Führungskräfte ist es häufig ein Spagat zwischen den Bedürfnissen, die der Markt dem Unternehmen vorgibt und den persönlichen und individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter. In diesem Sinne ist die Führungskraft ein „Diener zweier Herren“ und dies ist keine leichte Aufgabe. Orientiere ich mich nur am Markt, vernachlässige ich sehr leicht den Menschen. Gerade in der heutigen Zeit mit einem sich stark verändernden Arbeitsmarkt, kann man sich dies als Führungskraft nicht mehr erlauben. Nicht umsonst sind Employer Branding Maßnahmen fast überall im Fokus der Unternehmenspolitik und es werden immer mehr Maßnahmenpakete und Freiheiten für Mitarbeiter möglich gemacht.

Der „Servant Leader“ ist also so etwas wie die „eierlegende Wollmilchsau“ – nett, freundlich, auf den Menschen fokussiert, einer dem alle folgen und mit Geschäftsergebnissen, die jeden Aufsichtsrat glücklich stimmen. Wie sehen Sie sich hier – erkennen Sie sich wieder, oder sagen Sie für sich selbst unmöglich?

Gehen wir einen Schritt weiter – was bringt uns dazu mit dieser „dienenden“ Sichtweise an die Führungsaufgabe heranzugehen? Demut, in seiner Urdefinition des Dienenden, erfordert sich auf den Menschen einzulassen und zu fühlen was diesen bewegt. Schaut man auf die neuesten Hirnforschungen im Bereich Sozialverhalten, so zeigt diese, dass dieses soziale Verhalten in weiten Teilen in unserem Gehirn angelegt ist.

Hier spielen allerdings verschiedene Gehirnteile und Vernetzungen eine Rolle – es gibt nicht „den Gehirnteil für moralisches oder soziales Verhalten“. Wie vieles im Leben ist dies eine Summe von vielen Faktoren. Neben den Spiegelneuronen im Gehirn, die uns ermöglichen Verhaltensweisen von anderen Menschen aufzunehmen und zu kopieren, verfügt der Mensch auch über die Gabe, „Theory of Mind“ genannt, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen und die Perspektive des anderen anzunehmen. So kann man verstehen und auch teilweise voraussehen, wie jemand denkt und welche Absichten er hat. Dies sind Faktoren, die uns in der Beurteilung von Situationen, z.B. was gerecht und ungerecht erscheint, weiterhelfen. Es ist mit ein Faktor, der uns in unserem moralischen Verhalten (neben dem, was wir im Laufe unseres Lebens „lernen“) bestimmt. (Dörhöfer, P.)

So ist das dienende Führungsverhalten eigentlich in Teilen in uns angelegt, die Frage ist, was wir in unserem Leben gelernt haben, davon zu nutzen. Der Neurowissenschaftler Simon Eickhoff formuliert es wie folgt: „Das Gehirn ist darauf ausgerichtet aus der Umwelt zu lernen und sich optimal an seine Anforderungen anzupassen“ (Dörhöfer, P.). Somit haben wir die Anlagen zu einem sozialen und verstehenden Führen in uns, die Aufgabe der Führungskraft ist es nun, dies entsprechend an die Anforderungen der Umwelt anzupassen. Keine leichte Aufgabe, aber ein Anspruch, dem man sich in seiner Führungsaufgabe stellen sollte.

Wenn wir ehrlich sind, kommt uns diese Art des Führens heute auch entgegen – oder sind Sie wirklich der Fachmann in Ihrem kompletten Bereich oder ist es nicht so, dass Sie die entsprechenden Fachleute unter sich haben, die eigenständig ihre Fachaufgaben bewältigen. Immer up to date zu sein ist in manchen Bereich nur eingeschränkt möglich, zu komplex ist das Wissen,  zu schnell ändern sich Wissensbereiche. Da ist es gut zuzugeben, dass man an der ein oder anderen Stelle eine Wissenslücke hat, aber der entsprechende Fachmann im Team ist.

Dabei nicht missverstehen, Bescheidenheit heißt nicht, dass man sich „herabsetzt“, sondern, dass man andere hervorhebt und zugibt, dass sie in bestimmten Dingen besser sind. Aaron Weidman unterscheidet zwischen einer „anerkennenden Bescheidenheit“ und einer „abwertenden Bescheidenheit“. (Weidman, A.) Als gestandene Führungskraft sollte ich kein Problem darin haben zuzugeben, dass ich Mitarbeiter oder Fachleute in meinem Team habe, die über bestimmte Sachverhalte besser informiert sind. Dies ist eher von Vorteil und zeigt Außenstehenden, dass man weiß, wen man an Fachleute im Team benötigt und das man über entsprechende Fachexpertise im Team verfügt.

Spricht man von agiler Führung ist auch immer die gelebte Fehlerkultur ein wichtiger Erfolgsfaktor. Aber diese funktioniert nur, wenn beide – Führungskraft und Mitarbeiter diesbezüglich die entsprechende Reife besitzen. Bescheidenheit ist auch Fehler oder Nichtwissen zuzugeben, aber nicht als unfähig/unwissend dazustehen. Ich brauche für agile Führung Mitarbeiter, die nicht den Übervater suchen und Führungskräfte, die die Stärke haben ihre Lücken zuzugeben. (Rose, N.)

Bleiben Sie up to date in der Führung und setzen Sie Bescheidenheit und Demut sinnvoll und zielführend ein – es sind gute Begleiter um Ihre Fachkräften Raum zu geben und sie wachsen zu lassen. Und gibt Ihnen Raum komplexe Themenstellungen gut zu bewältigen.

 

ANXO. Wir verändern Ihre Welt.

Quellen

[1] Vgl: Dörhöfer, P.: Wo die Moral ihren Sitz hat. Frankfurter Rundschau, 13.9.2014.
[2] Vgl: Krost, M. & Kaehler, B.: Servant Leadership: Die Führungskraft als Diener? Personalführung 6/2010
[3] Vlg: Wikipedia: Definition Demut.
[4] Vgl: Rose, N.: Manager brauchen wieder mehr Bescheidenheit. www.wiwo.de/erfolg/Management/führungskutlur-manager-brauchen wieder mehr Bescheidenheit. 7.8.2017.
[5] Vgl: Weidman, A.: Anerkennende und abwertende Bescheidenheit. Wirtschaftspsychologie aktuell, 2016 12.9.2016.

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