Dos and Dont's bei Mitarbeiterbefragungen

 

 

07.06.2023 | Dr. Ottmar Franzen

 

Für viele Branchen entwickelt sich der Fachkräftemangel zunehmend zu einem limitierenden Faktor für die Unternehmensentwicklung. Neben der Gewinnung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird daher die Bindung der Fachkräfte an das Unternehmen zunehmend zum Erfolgsfaktor. Gleichzeitig führen Veränderungsprozesse auf den Märkten zu Verunsicherung und subjektiv empfundenen Leistungsdruck bei den Arbeitskräften. Die Mitarbeiterzufriedenheit und –bindung wird zusätzlich durch externe Faktoren belastet.

Dabei zeigt sich in der Regel, dass zwischen der Einschätzung der Mitarbeitererwartungen durch das Management und den tatsächlichen Anforderungen große Unterschiede bestehen. Häufig setzt das Management in Unkenntnis auf die falschen Maßnahmen. Mit der Konsequenz, dass der gewünschte Erfolg ausbleibt oder nur zu einem Teil erreicht wird, weil die Aktivitäten für Mitarbeitende entweder nicht relevant sind oder aber nicht ausreichend stark umgesetzt werden.

Mitarbeiterbefragungen sind daher ein wichtiger Bestandteil der Personalarbeit. Sie helfen Unternehmen, ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, wie Mitarbeiter ihre Arbeit sehen, was ihnen wichtig ist und wie sie ihre Arbeitssituation verbessern können. Ferner helfen Mitarbeiterbefragungen, die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen zu erhöhen, da sie eine Möglichkeit bieten, Feedback zu sammeln und Probleme anzusprechen. Auf dieser Basis kann das Unternehmen Schwachstellen beheben und seine Attraktivität für die Mitarbeiter zielgerichtet verbessern.

Eine Mitarbeiterbefragung sollte die folgenden Informationen liefern:

  • Wie stark sind die Mitarbeiter an das Unternehmen gebunden?
  • Welche Faktoren beeinflussen die Mitarbeiterzufriedenheit?
  • Mit welchen Aktivitäten kann die Mitarbeiterzufriedenheit am effektivsten gesteigert werden?
  • Wie stark haben in der Vergangenheit bestimmte Maßnahmen zur Steigerung der
  • Mitarbeiterzufriedenheit gegriffen?
  • Stimmt die Außenkommunikation mit dem überein, was die Mitarbeiter in dem Unternehmen erleben?
  • Haben die Mitarbeiter das Gefühl, dass Vergütung und Aufstiegsmöglichkeiten leistungsgerecht sind?
  • Wie effektiv erfolgt die unternehmensinterne Kommunikation?

 

Erfahrungsgemäß sollten möglichst alle Mitarbeiter im Unternehmen die Chance haben, an der Befragung teilzunehmen. Man spricht hier von einer sogenannten „Vollerhebung“, im Gegensatz zu einer „Stichprobenerhebung“, in der nur eine repräsentative Teilmenge der Mitarbeiter befragt wird.

Je nach Einsatzort der Mitarbeitenden kann dies eine Herausforderung bedeuten. Nicht jeder hat einen Bürojob. Ferner ist es von Vorteil, wenn die Beantwortung der Fragen mit Abstand, in Ruhe, am besten zu Hause erfolgen kann. Daher ist einer webgestützten Onlinebefragung der Vorzug zu geben, weil sie einen höchstmöglichen Persönlichkeitsschutz sicherstellt und gleichzeitig mit mobilen Devices von jedem beliebigen Ort aus beantwortet werden kann. Die potenziellen Befragten erhalten per Email einen Umfragelink oder per personalisiertem Brief einen QR-Code, über den sie den Fragebogen öffnen können. Dabei sollte der begleitende Text zur Teilnahme motivieren, auf die Zielsetzung der Untersuchung Bezug nehmen und mögliche Datenschutzbedenken im Vorfeld ausräumen.

 

Wichtige Zielgrößen: Globalzufriedenheit und NPS

Grundlage zur regelmäßigen Kontrolle der Zufriedenheitsermittlung sollte eine gesamthafte und leicht zu erhebende Zielgröße sein. Hierzu bieten sich zum einen die Globalzufriedenheit und zum anderen der NPS (Net Promotor Score) an. Beide Werte werden idealerweise auf einer zehnstufigen Zustimmungsskala abgefragt.

Die Globalzufriedenheit basiert auf der Abfrage nach der Zufriedenheit mit dem Unternehmen als Arbeitgeber insgesamt. Hierbei lassen sich die Durchschnittsnote sowie der Prozentanteil der Zustimmungen mit der Maximalnote 10 ausweisen.

Die Berechnung des NPS basiert auf der Frage nach der Weiterempfehlungsbereitschaft des Unternehmens als Arbeitgeber. Auch diese Abfrage erfolgt mit einer zehnstufigen Zustimmungsskala. Der NPS bildet allerdings den Saldo des Prozentanteils der sogenannten „Promotoren“ (Zustimmungswerte 9 und 10) minus dem der sogenannten „Kritiker“ (Zustimmungswerte von 1 bis 6).

Insbesondere der NPS hat sich als ein sehr feinfühliger Seismograph für die Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Unternehmen erwiesen.

 

Erst Treiberanalyen heben das gesamte Potenzial von Mitarbeiterbefragungen

Wichtiges Element einer profunden Mitarbeiterbefragung ist die Treiberanalyse. Dabei werden die Ursachen für bestimmte Ergebnisse im Rahmen der Befragung mit Hilfe von statistischen Modellen (Regressions- oder Korrelationsanalysen) ermittelt.

Vereinfachende Annahmen gehen davon aus, dass sich die Gesamt-Zufriedenheit additiv aus der Zufriedenheit mit den Einzelleistungen ergibt. Im Rahmen einer Treiberanalyse werden die Bedeutungsgewichte der Einzelleistungen aus neutraler Perspektive ermittelt. Fragt man direkt nach der Wichtigkeit einzelner Leistungen, neigen die Befragten dazu, alle Leistungen als relativ wichtig einzustufen. Rational begründbare Leistungen, etwa das Gehaltsniveau, werden i.d.R. wichtiger beurteilt als „weiche“ Beurteilungsgrößen, wie Achtsamkeit im Umgang miteinander.

Die Treiberanalyse hilft also, sich auf die wirklich wichtigen Aspekte für die Mitarbeiterzufriedenheit zu fokussieren. Dabei sind solche Treiber schnell anzugehen, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur unterdurchschnittlich zufrieden sind. Erfahrungsgemäß betrifft dies insbesondere die Informations- und Führungskultur in den Unternehmen und eben nicht die Vergütung.

 

Häufige Fehler bei Mitarbeiterbefragungen

Nicht professionell konzipierte Mitarbeiterbefragungen können viel Porzellan zerschlagen. Der schlimmste Effekt ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Teilnahme verweigern. Daher sollten die folgenden, häufig zu beobachtenden Fehler vermieden werden:

  1. Fehlende Verbindlichkeit: Aus der Befragung folgen keine Konsequenzen, es werden keine Maßnahmen umgesetzt. Die Umfrageergebnisse wandern in die Schublade
  2. Unzureichendes Verständnis der Fragen: Einige Fragen können zu unklar oder zu komplex sein, was dazu führen kann, dass die Befragten sie nicht richtig verstehen und somit keine hilfreichen Antworten liefern
  3. Kein Vertrauen in den Datenschutz: Mitarbeiter trauen sich nicht, offen und ehrlich zu antworten, da sie Angst haben, dass ihre Antworten gegen sie verwendet werden könnten
  4. Unzureichende Auswertung: Wenn die Auswertung der Befragung nicht gründlich durchgeführt wird, z.B. differenziert nach Aufgabenfeldern oder Abteilungen, können wichtige Erkenntnisse übersehen werden

 

Empfehlungen für Mitarbeiterbefragungen

Mitarbeiterbefragungen sind ein entscheidender Baustein in der Personalentwicklung. Welche Empfehlungen lassen sich aus unseren Erfahrungen mit Mitarbeiterbefragungen ableiten?

  • Es ist wichtig, die Befragungen inhaltlich auf eine breite Basis zu stellen, am besten auf der Basis eines interdisziplinär zusammen gestellten Fragebogen-Workshops. Dies macht die unterschiedlichen Abteilungen und Bereiche zu Beteiligten und stellt eine hohe Mitmachbereitschaft sicher. Wichtig ist auch, von Anfang an die Mitarbeitervertretung in den Prozess zu involvieren
  • Zu dieser breiten Basis gehört eine Berücksichtigung der persönlichen Voraussetzungen. Wie sind die Sprachkompetenzen im Unternehmen aufgestellt? Reicht ein Interview in deutscher Sprache oder haben fremde Sprachen eine Relevanz im Unternehmen? Online-Befragungen bieten den Vorteil, dass im Vorfeld die Sprache ausgewählt werden kann, in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich heimisch fühlen. Nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind intellektuell auf dem gleichen Niveau. Die Fragen müssen einfach formuliert und leicht verständlich sein
  • Eine Befragung nur mit normierten Standardfragen geht an der täglichen Realität der Befragten vorbei und senkt die Mitmachbereitschaft. Der Fragebogen muss die individuelle Handschrift des Unternehmens tragen und Aspekte abprüfen, die einen ganz konkreten Unternehmensbezug haben. Dann werden auch lange Fragebogen mit Engagement beantwortet
  • Eine Zufriedenheitsbefragung ohne Treiberanalyse macht keinen Sinn. Nur wenn man weiß welche einzelnen Aktivitäten am stärksten auf die Mitarbeiterzufriedenheit einzahlen kann einen effektiven Maßnahmenkatalog ausarbeiten
  • Nach dem Abschluss der Befragung müssen kurzfristig Maßnahmen erfolgen und umgesetzt werden. Nur dann erscheint das Unternehmen glaubwürdig. Als erste Maßnahme bietet sich immer die breite Kommunikation der Hauptergebnisse (und nicht nur der positiven!) in das Unternehmen hinein an. Denkbare Medien sind die Mitarbeiterzeitschrift, Umsetzungsworkshops oder Mitarbeiterversammlungen, auf denen die Ergebnisse vorgetragen werden
  • Eine Mitarbeiterbefragung sollte regelmäßig wiederholt werden. Nur dann kann überprüft werden, ob die ergriffenen Maßnahmen zielgerichtet waren. Die Frequenz richtet sich nach der Geschwindigkeit der Veränderungsprozesse im Unternehmen: von einmal pro Jahr bis zu alle 3 bis 5 Jahre

 

Zusammenfassung

Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit sind ein wertvolles Instrument zur Mitarbeiterbindung und zur Optimierung der Personalführung. Sie sollten daher zum Standardrepertoire aller Unternehmen mit 20 und mehr Mitarbeitern zählen. Regelmäßig und methodisch korrekt durchgeführt sind, sie ein Seismograph für die Befindlichkeit im Unternehmen und weisen auf Schwachstellen hin, bevor diese nach außen dringen. Der NPS und die Treiberanalyse sind dabei wichtige Indikatoren.

Erfolgsfaktoren für Mitarbeiterbefragungen sind eine individuelle Formulierung der Fragen und Themen, die die spezifische Situation des Unternehmens reflektieren und eine konsequente Umsetzung der Erkenntnisse aus den Ergebnissen.

 

Ihr Ansprechpartner Dr. Ottmar Franzen

Tel.: +49 (0) 6192 40 269 0
Email: ottmar.franzen@anxo-consulting.com

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